Lijen~
Ein neuer Tag war angebrochen, während Lijen in ihrem Bett lag und die aufkommenden Sonnenstrahlen sie langsam ins Wachsein kitzelten. Wenig hatte sie in den letzten Nächten geschlafen, so war ihr doch bewusst, dass der Bürgerkrieg bald seinen Höhepunkt finden würde. Zumindest nach dem, was Ryu gesagt hatte. Ja, er war zurückgekehrt mit einigen der Flüchtlinge. Jenen Leuten, die nicht so einfach bereit gewesen waren, ihre Heimat zu verlassen. Und auch, wenn nur wenige den Schiffbruch überlebt hatten, waren es doch genug, sich den Waldkämpfern der Dhurran anzuschließen. Eine Tatsache, welche sie trotz des Wiedersehens vor wenigen Wochen stark beunruhigte. Es würde wieder Blutvergießen geben... Wieder würden Unschuldige leiden und wieder würde sie bekannte, sowie unbekannte Körper zu Grabe tragen müssen. So waren es doch meist die Venarra, welche Begräbniszeremonien für die Clanlosen anleiteten... Trotz ihrer konserativen Haltung der meisten Clan-Mitglieder.
Langsam öffnete sie ihre tiefblauen Augen, welche für eine Weile, teils schlaftrunken, teils voller Sorge an die Decke ihrer Kammer blickten. Es war ein schönes Zimmer, so hatte sie es sich doch hart und mühsam erarbeitet. Als Magistra brachte der Stand eben so einige Vorteile mit sich. So eben auch dieses eigene, kreisrunde Zimmer. Darin standen das große Himmelbett zur Rechten wenn man hineinkam. Links befand sich ein großer Tisch, auf welchem lauter Bücher, sowie Töpfe mit Kräutern standen, während sich an den Wänden oberhalb des Türrahmens eine geordnete Anzahl von Waldreben über die Wände hinfortzog. Doch das schönste war die Balustrade, von der aus man einen Ausblick über die weiten Täler und Wälder des Landes hatte. Einen Anblick, welchen sie jeden Morgen genoss. Sie liebte es, ihre Gedanken schweifen zu lassen, beruhigt zu werden von ihrer Heimat, dem Land der Ahnen. Und so stand sie langsam auf, schon jetzt in dem Bewusstsein, heute wieder all das Leid sehen zu müssen, welches sich über das Land gelegt hatte. Schwermütig, doch auch dankbar für einen weiteren Tag schlupfte sie in ihre Pantoffeln und ging herüber zu den schweren, dunkelblauen Vorhängen, welche vor der Tür zur Balustrade hingen und schob sich zwischen ihnen hindurch. Da war wieder: Dieser Ausblick, von dem man aus selbst die kleinsten Feuer der Truppenlager zu erkennen vermochte... Aber auch die Schlachtfelder, über denen zumeist dicker, grauer Nebel hing. Als würde sich das Reich der Ahnen immer mehr dieser Welt öffnen...
Als sie heraustrat, wurde sie je von der kühlen Morgenluft erfasst, welche das ohnehin schon zerwühlte Haar noch weiter zerzauste - Sie liebte dieses erfrischende Gefühl, es zeigte, dass sie noch lebte. Langsam ließ sie ihren Blick schweifen... Es gab noch so viel zu tun... Und doch... Würde nie wieder alles so sein, wie es war...